„Der fliegende Holländer“ mit der NDR Radiophilharmonie
VON STEFAN ARNDT (HAZ zum Konzert 22. Sept. 2013)
Da muss der große Alte auf seinem Stuhl in der Bühnenecke doch einmal anerkennend mit dem Kopf nicken. So musikalisch gestaltet hat selbst Matti Salminen den Auftrittsmonolog des Holländer noch nicht oft gehört. Der finnische Bassist hat als Daland gerade seinen Steuermann abgefertigt und verfolgt nun von der Seite das Geschehen im hannoverschen Kuppelsaal. Die NDR Radiophilharmonie startet hier mit einem spektakulären Konzert in die Saison: eine konzertante Aufführung von Wagners „Fliegenden Holländer“ mit Weltklassebesetzung.
Salminen, nach 40 Jahren auf der Bühne doch immer erste Wahl als Daland, ist dabei nur einer unter vielen. Aus Samuel Youn hat in der Titelrolle schon bei den Bayreuther Festspielen reüssiert. In Hannover zeigte er nun, warum: Statt des Gebells, das nicht wenige Holländer-Sänger anstimmen, sucht er die weiten Linien in seiner Partie und findet Melodien, wo man sonst oft nur Gepolter hört. Aus dem mürrischen Verfluchten wird so ein sensibler Schmerzensmann; sein Holländer ist kein Schreckgespenst, sondern ein Mann, mit dem man Mitleid haben kann.
Das erklärt vieles. Zum Beispiel die Handlung der Oper, in der einen junge Frau bereit ist, sich liebend für den Holländer aufzuopfern, damit er endlich sterben kann statt ewig die Weltmeere zu kreuzen. Was Regisseure oft umständlich verdeutlichen müssen. Ist bei dieser konzertanten Version einfach zu hören: Das beeindruckt nicht nur Matti Salminen.
Der ist selber einer der großen Aktivposten des Abends: Er singt den stets auf ein gutes Geschäft bedachten Daland prägnant als jovialen Grobian – ein Mann, der seine Interessen durchzusetzen weiß und doch immer die Form wahren kann. Auch Benjamin Bruns, dessen Karriere vom Knabenchor Hannover nach Bayreuth geführt hat, und Alexandra Petersamer sind als Steuermann und Mary sehr überzeugend. Anja Kampe ist eine beeindruckende Senta, wohingegen Endrik Wottrich mit flackerndem, gepresstem Tenor schon deutlich aus der Reihe fällt.
Eine sichere Bank sind dagegen die Chöre, die den gesamten Balkon im Kuppelsaal füllen: Johannes-Brahms-Chor, Hannoverscher Oratorienchor und Mitglieder des Opernchores tönen zusammen zwar eher nach Nordmeerflotte als nach der Besatzung eines bescheidenen Segelschiffs – beeindruckend ist das aber allemal. Und wenn der Mädchenchor Hannover die Spinnstube füllt, dann klingt das trotz der Masse so frisch und jugendlich, wie man es sich immer gewünscht hat.
Eivind Gullberg Jensen, als Organisator hier ganz in seinem Element, hat das Geschehen (manchmal zu) fest im Griff, und die Radiophilharmonie macht trotz kleinerer Fehler auch als Opernorchester eine sehr gute Figur. Ein starker, am Ende begeistert gefeierter Saisonauftakt.