Der Hannoversche Oratorienchor überzeugt in der Markuskirche Hannover mit Anton Bruckners selten zu hörender Messe in f-Moll
VON ANDRÉ MUMOT (HAZ, Nov. 2007)
Nicht erst am Schluss leuchtet hier die Transzendenz. In Bruckners großer Messe in f-Moll dominiert vom ersten kyrie an der Blick von oben, eine Art jenseitige Panoramaperspektive, in der sich auch die Gesangssolisten keine ariösen Alleingänge erlauben können - weil sie nur Teile sind im göttlichen Gesamtgetriebe, nur kurz hervorgehobene Stimmen in der großen Glaubenssinfonie für Chor und Orchester. Aber vielleicht erschüttert auch deshalb der Moment im "Credo" so sehr, wenn Tenor Jörg Eichler in stiller Verwebung mit der ersten Geige die Menschwerdung Christi bis zur kreuzigung dramatisiert, bei der sich dann majestätisch der Chor eingeschaltet und zur gleißenden Aufherstehung überleitet, in der sich die für Bruckner so typische ansteigende Streichereskalation entfaltet.
In der Markuskirche jedenfalls bewegte sich die selten zu hörende Bruckner-Messe ohne drückenden Pomp in überweltlichen Sphären. Unter Peter Marinos Leitung überzeugte der Hannoversche Oratorienchor als warme, gut artikulierte Klangeinheit, deren schwebende Dringlichkeit vom prager Sinfonieorchester Bohemia angemessen (wenn auch nicht immer mit besonders zupackender Schärfe) getragen wurde. Neben Gast Thomas Wittig (Bass) trugen Tenor Eichler, Alla Kravchuk (Sopran) und Okka von der Damerau (Alt) aus dem Ensemble der Staatsoper mit ihren pointierten Einsätzen zur Verdichtung bei: Sie stellten sich ganz in den Dienst des Werks und der selbstlosen Verflechtung aller Stimmen. Und dabei nimmt all das abgegriffene Gerede von der Transzendenz dieser Musik echte Gestalt an - nicht als Wunsch, sondern, gottlob, als nicht zu leugnende Tatsache.