Der Hannoversche Oratorienchor in der Markuskirche
VON ANDRÉ MUMOT (HAZ, 30. Nov. 2009)
Wenn einem ein Chor zur Verfügung steht, der solch seidigsanften Wohlklang herzustellen weiß, kann man ihm auch getrost solch ein Stück auf den vielstimmigen Leib schneidern. Peter Francesco Marino, Leiter des Hannoverschen Oratoriencbores, hat das Gedicht „Der Tod, das ist die kühle Nacht" von Heinrich Heine vertont und damit „seinem" Ensemble Möglichkeit zum Glänzen gegeben. Von verhaltenen Streichern begleitet, lassen sich die Sängerinnen und Sänger ätherisch ins Jenseits forttreiben, machen das zehnminütige Werk zum ungebrochen Schwelgen in Tod und Verklärung.
Aber diese wehmütige Lebensaushauchung ist nur die Einstimmung zum großen Konzert in der Markuskirche. Hauptsächlich geht es um Antonin Dvoraks „Stabat Mater", also um anderthalb Stunden großer romantischer Trauermusik. Um ein Oratorium, das ergreifen muss, wenn es funktionieren soll, schließlich hat Dvorak hier die eigene Verzweif1ung über den Tod seiner Tochter verarbeitet. Jede Note ein Schmerz und zugleich ein Versuch, mithilfe der Kunst durchzuhalten, Hoffnung zu gestalten.
Das „Prager Symphonieorchester Bohemia" scheint in den ersten Takten noch im Ungefähren zu bleiben, tastet sich unentschlossen voran. Umso entschiedener absolvieren die Musiker dann aber die machtvolle Steigerung, die das Publikum mitten hineinkatapultiert in die tosenden Verzweiflungsstürme. Hier müssen sich auch die Solisten bewähren, um den großen Orchesterwogen empfindliche Innerlichkeiten entgegenzusetzen. Sopranistin Stephanie Forsblad hat dabei mit einer Erkältung zu kämpfen und kann sich nicht immer durchsetzen. Dafür kommt dann aber die verletzliche Zartheit ihrer Phrasierung besonders eindringlich zur Geltung. Altistin Ilona Markarova und Bass Shavlek Armasi steigen mit spannungsvoller Verve in die Traurigkeiten ihrer Partien, und Tenor Dirk Schmitz überzeugt mit metallisch scharfer, gleichwohl flexibel lyrischer Stimme.
Orchester, Chor und Solisten finden nicht nur zu klanglicher Homogenität, sondern auch zu einer gemeinsamen Aufgabe: die tiefe, innere Betroffenheit von Dvoraks bekenntnishaftem Werk so auszuformen, dass man im Publiktun gar nicht anders kann, als sich rühren zu lassen.
„Oratorienchor Hannover trifft den Ton von Mozarts Totenmesse“
VON SYBILLE HEINE (Anzeiger für Burgdorf, 23. März 2009)
Burgdorf. Die Aufführung eines der schönsten oratorischen Kompositionen hat am Sonnabend mehr als 100 Musikliebhaber in die St-Pankratius-Kirche gelockt. Der Oratorienchor Hannover und Mitglieder des Niedersächsischen Staatsorchesters führten am vierten Fastensonntag, auch Todsonntag genannt, Mozarts Requiem auf.
Das Publikum erlebte einen flexibel agierenden, bestens präparierten Chor mit feinem Gespür für Dynamik, der den Raum zur Glanzentfaltung im Kyrie nutzte. Beim Confutatis und Lacrimosa verlor die Gestaltung etwas an Spannung. Umso konzentrierter begann der vierte Teil.
Das Orchester mit Konzertmeister István Szentpáli ordnete sich der Dominanz des vierstimmigen Vokalsatzes unter und begleitete sicher. Das Solistenquartett bestehend aus Stephanie Forstblad (Sopran), Okka von der Damerau (Alt), Jörn Eichler (Tenor) und Lars Grünwoldt (Bass) sang wie aus einem Guss. Nur Grünwoldt neigte gelegentlich zu opernhafter Dramatik.
Zwei Uraufführungen von Kompositionen des 40-jährigen Chorleiters Peter Francesco Marino waren der Totenmesse vorangestellt. Mit sphärischem Gesang begann das Stück „O Padre nostro“, das die rhythmische Struktur von Gebeten variierte und musikalisch sehr gut zu dem Mozart-Werk passte. Ambitioniert dagegen wirkte die Komposition „Komm, süßes Kreuz“ für Bassklarinette und Streichorchester mit der sensibel agierenden Solistin Sabina Matthus-Bébié. Es bezog seinen besonderen Reiz aus dem Kontrast zwischen dem weichen, dunklen Klang des Blasinstrumentes und der scharfen, hellen Tonfärbung der Streicher. Der dissonante Dialog endete trauerschwer und süßlich mit einem Thema, das an Glockenschläge erinnerte.
Hannoverscher Oratorienchor in der Markuskirche
VON LUDOLF BAUCKE (HAZ, 24. Nov. 2008)
Sie gedachten auch einer Sängerin, die bei dem Busunglück am 4. November auf der A2 ums Leben gekommen war: Eindringlich und ergreifend gestaltete der Hannoversche Oratorienchor zusammen mit der Hannoverschen Orchestervereinigung in der Markuskirche das Requiem von Luigi Cherubini. Das Werk erklang erst zum Abschluss des von Peter Marino geleiteten Gedenkkonzertes, doch wirkte in seiner Gesamtheit wesentlich stärker als zuvor Beethovens Egmont-Ouvertüre und die Missa canonica von Johannes Brahms. Cherubinis aus der Tiefe emporsteigende, zu Beginn des dramatischen "Dies irae!" mit einem einzigen Tamtamschlag aufrüttelnde und schließlich sanft endende Musik gehoben. Und zwar so gut, dass nicht nur ein dreiviertelstündiger Bogen gespannt, sondern auch Beethovens Wertschätzung bestätigt wurde. Es lohnte, dieses Requiem zu hören, und es lohnt für Laienchöre, sich regelmäßig von Luigi Cherubini inspirieren zu lassen."
Chor-Konzert in der Markuskirche
VON GERD BÖSENBERG (Evangelische Zeitung, Nov. 2008)
Der Hannoversche Oratorienchor gab am Vorabend zum Ewigkeitssonntag in der Markuskirche ein eindringliches, wenn auch etwas gemischtes Konzert mit dem Hauptstück, dem Requiem in c-Moll von Luigi Cherubini (1760 bis 1842). Der Komponist wurde in Florenz geboren, verbrachte aber fast sein ganzes Leben in Paris und wurde dort zuletzt Direktor des Pariser Konservatoriums. Hier entstand die Messe in c-Moll mit großem Orchester, aber ohne Solisten, 1816 als Auftragswerk zum Gedächtnis an König Ludwig XVI., der während der französischen Revolution unter der Guillotine den Tod gefunden hatte.
Der Chor wurde begleitet von der traditionsreichen Hannoverschen Orchestervereinigung. Die Gesamtleitung der Aufführung lag bei Peter Marino, der auch Leiter des Oratorienchores ist. Das perfekt aufspielende große Orchester traf von Anfang an den schwermütigen dunklen Ton des Werkes, aus dem der Introitus des Chores in eindringlichem Pianissimo eines d-Moll-Akkordes aufsteigt. Diese Grundstimmung beherrscht das gesamte Werk, und der Chor folgte ihr behutsam. Der kongruente Chorklang des Ensembles unterstütze diese Interpretation hilfreich, zumal marino die Balance zwischen Chor und Orchester jederzeit gut in der Waage hielt.
Die Aufführung war einem Chormitglied gewidmet, das bei der Buskatastrophe auf der A2 ums Leben gekommen war. Deshalb gab es keinen Schlussapplaus, obwohl der sehr verdient gewesen wäre.
Das Konzert begann mit Beethovens Egmont Ouvertüre, die ja den Tod des niederländischen Grafen musikalisch beschreibt. Die Hannoversche Orchestervereinigung unter Leitung von Peter Marino spielte das Werk bedächtig bis zur Generalpause und ließ dann die Freiheitsvision des Helden mit strahlendem "Blech" folgen.
Dann war der Romantiker Johannes Brahms zu hören mit der jüngst erst wieder entdeckten "Missa Canonica", die unvollendet geblieben ist, aber dem katholischen Mess-Ordinarium folgt. Es ist im Grunde eine A-cappella-Messe mit sparsamer Orgelbegleitung (Maximilian Schnaus), deren "Agnus Dei" leider nicht ins Stolpern geriet. Dieser Konzertabend in Moll mit dem Requiem als Schluss war beeindruckend und befriedigend.
« Mit einem ergreifenden Konzert wurden die Herbsttage der jüdischen Musik eröffnet: Ministerpräsident Christian Wulf und Oberbürgermeister Stephan Weil erinnerten an die Bedeutung der jüdischen Kultur. »
VON HENNING QUEREN (Neue Presse, 11. Nov. 2008)
Bessere Musik hätte man nicht wählen können: Mit dem Schlusssatz aus Gustav Mahlers „Auferstehungssinfonie“ wurden gestern Abend die diesjährigen Herbsttage der jüdischen Musik im gut besuchten Kuppelsaal eröffnet. Thema: „Gedenken und Zuversicht“. Der NDR übertrug das Konzert live.
Stardirigent Moshe Atzmon leitete die Radiophilharmonie und den eigens gebildeten Chor der Herbsttage im monumentalen Schlusssatz: „Was entstanden ist, das muss vergehen! Was vergangen, auferstehen!“ Für das innig und vergleichsweise langsam gesungene „Urlicht“ war die gefeierte US-Sopranistin Helen Donath gewonnen worden. Tränen der Rührung im Publikum und Riesenbeifall.
Im ersten Teil des Konzert standen jüdisch-liturgische Musik unter anderem von Louis Lewandowski und Salomon Sulzer auf dem Programm. Andor Izsák, Gründer und Leiter des Europäischen Zentrums für jüdische Musik, dirigierte mehrere hundert Sänger und Sängerinnen verschiedener Synagogalchöre.
Große Erschütterung, als Kantor Benjamin Meissner inmitten eines gesungenen Gebets die Namen der Konzentrationslager von Auschwitz bis Treblinka aufzählte.
Ministerpräsident Christian Wulff erinnerte an das Grauen des Dritten Reiches und daran, „dass die deutsche Kultur ohne den jüdischen Beitrag“ nicht zu denken ist. Wulff räumte ein, dass es „ein großer Fehler“ gewesen sei, den Begriff Progrom so unbedacht zu benutzen. Oberbürgermeister Stephan Weil sicherte dem Europäischen Zentrum für Jüdische Musik größstmögliche Unterstützung zu und bekam Extra-Applaus."